Ein solches Werbeverbot könnte jedoch einen Eingriff in die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten darstellen.
Das
Bundesverfassungsgericht hat aus der Rundfunkfreiheit in Artikel 5 I GG eine
Freiheit der Meinungsbildung im Rundfunk entwickelt, die auch eine Freiheit von
staatlichen Eingriffen fordert[31]. Mit dieser
Programmfreiheit soll die Freiheit des Journalismus auch und gerade im
öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesichert und ein "Staatsrundfunk"
verhindert werden[32]. Dieser Schutz gilt
grundsätzlich für jede Art der Sendung[33].
Auch auf europäischer Ebene gibt es ein Grundrecht der Rundfunkfreiheit,
das aus Art 10 I EMRK abgeleitet wird[34].
Weniger klar ist jedoch, ob es ebenfalls eine dem deutschen Verfassungsrecht
entsprechende Programmfreiheit umfaßt. Jedenfalls aber ist eine aus Art.
10 I 2 EMRK abgeleitete Rundfunkveranstalterfreiheit anerkannt.[35]
Zwar ist in der europarechtlichen Literatur weitgehend anerkannt, daß diese Freiheit grundsätzlich auch die Werbung umfassen kann[36]. Allerdings hat der EuGH bereits festgestellt, daß das Recht der Rundfunkfreiheit im Allgemeininteresse eingeschränkt werden kann[37]. Die Wettbewerbskontrollmaßnahmen der Kommission sind jedenfalls als solche im Allgemeininteresse anzusehen. Damit scheidet ein Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit des Art. 10 I EMRK aus.
Dagegen
wird kontrovers diskutiert, ob Werbung durch die deutsche Programmfreiheit
geschützt ist und ob dies zur Konsequenz hat, daß ein Werbeverbot
für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegen das Grundgesetz
verstoßen würde.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Gebührenentscheidung
lediglich festgehalten, daß Werbung im öffentlich-rechtlichen
Rundfunk zulässig ist, seine Unabhängigkeit sogar stärken kann,
aber die Gebühren als Finanzquelle nicht in den Hintergrund treten lassen
darf[38]. Zur Frage der Werbebeschränkung
äußerte es sich in diesem Urteil nicht.
Dennoch hält eine Ansicht in der Literatur unter Berufung auf dieses
Urteil ein Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für
verfassungswidrig. Ohne eine Finanzierung aus mehreren Quellen sei die
Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu
gewährleisten.[39] Diese Ansicht
überzieht jedoch deutlich die Tragweite der Werbung als
"Unabhängigkeitsgarant", die angesichts der
Einflußmöglichkeiten der Industrie durch die Werbung ohnehin
fragwürdig ist, und ist daher abzulehnen.
Nach einer weiteren Ansicht ist die Werbung als eine Form der
Meinungsäußerung geschützt und fällt unter den Schutz der
Programmfreiheit. Als Konsequenz daraus seien Beschränkungen der Werbung
oder ihr Verbot nur zulässig, um die Erfüllung der öffentlichen
Aufgabe des Rundfunks sicherzustellen. Darüber hinausgehende
Einschränkungen unterlägen dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 II GG.[40] Demnach wäre ein Werbeverbot durch die
Kommission nur über eine vom deutschen Gesetzgeber umgesetzte Richtlinie
durchzusetzen. Doch auch diese Ansicht[41],
die sich vor allem auf die Übertragung der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zu Anzeigen in Zeitungen[42] auf den Rundfunk stützt, geht zu weit. Denn der
Vergleich des Bundesverfassungsgerichts zwischen dem Abdruck von Werbe- und
Nachrichtentexten läßt sich für die Rundfunkwerbung, die
gewöhnlich nur in der Sendung von vorproduzierten Spots besteht, nicht
heranziehen. Eine Programmfreiheit hinsichtlich von Werbespots könnten
daher höchstens die Werbefirmen in Anspruch nehmen. Außerdem ist
Werbung in ihrer Bedeutung für die Rundfunkanstalten in erster Linie eine
Frage des Geschäfts und nicht der Meinungsäußerung und
fällt als solche unter Wettbewerbsrecht.
Nach richtiger Ansicht besteht daher kein Anspruch der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Werbung. Diese genießt
auch nicht den Schutz der Programmfreiheit. Ein Werbeverbot würde nicht
gegen das Grundgesetz verstoßen, solange die Finanzierung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks trotzdem sichergestellt wäre, wie
das Bundesverfassungsgericht im Fall des Werbeverbots in den Dritten Programmen
festgestellt hat[43]. Das aber steht bei einem
Werbeanteil von unter 20 % außer Zweifel. Verfassungsrechtlich bedenklich
ist allenfalls, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
durch die Werbeeinnahmen Einflüssen aus der Industrie ausgesetzt sind, und
daß durch die duale Finanzierung eine klare Benachteiligung der
Privatsender stattfindet, die nicht vernünftig begründet ist[44].
[31] vgl. BVerfG 1 BvR 147/86, BVerfGE 74, 297
ff
[32] Ricker / Schiwi B RN 95
[33] BVerfGE 35, 202
[34] vgl. Ricker / Schiwi H RN 57 ff, insbes.
RN 60
[35] Ricker / Schiwi, H RN 61
[36] Ricker / Schiwi, H RN 60 mit weiteren
Nachweisen
[37] EuGH C-288/89, Slg. 91, 4007 ff
[38] BVerfG 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60
[39] Radek, "Werbung bei ARD und ZDF sichert
Programmfreiheit", Media Perspektiven 94, 278
[40] Giehl, "Der Wettbewerb zwischen
öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten", S. 97
[41] ebenso Ricker / Schiwi, F RN 35
[42] BVerfG 1 BvR 414/64, BVerfGE 21, 271
[43] BVerfG 1 BvR 1586/89, BVerfGE 87, 181
[44] ebenso: Ricker, "Staatsfreiheit und
Rundfunkfinanzierung", NJW 1994, 2199