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3. Eingriff in die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten ?


Ein solches Werbeverbot könnte jedoch einen Eingriff in die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten darstellen.

3.1. Rechtliche Grundlagen der Programmfreiheit

Das Bundesverfassungsgericht hat aus der Rundfunkfreiheit in Artikel 5 I GG eine Freiheit der Meinungsbildung im Rundfunk entwickelt, die auch eine Freiheit von staatlichen Eingriffen fordert[31]. Mit dieser Programmfreiheit soll die Freiheit des Journalismus auch und gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesichert und ein "Staatsrundfunk" verhindert werden[32]. Dieser Schutz gilt grundsätzlich für jede Art der Sendung[33].
Auch auf europäischer Ebene gibt es ein Grundrecht der Rundfunkfreiheit, das aus Art 10 I EMRK abgeleitet wird[34]. Weniger klar ist jedoch, ob es ebenfalls eine dem deutschen Verfassungsrecht entsprechende Programmfreiheit umfaßt. Jedenfalls aber ist eine aus Art. 10 I 2 EMRK abgeleitete Rundfunkveranstalterfreiheit anerkannt.[35]

3.2. Europäische Rundfunkfreiheit und Werbung

Zwar ist in der europarechtlichen Literatur weitgehend anerkannt, daß diese Freiheit grundsätzlich auch die Werbung umfassen kann[36]. Allerdings hat der EuGH bereits festgestellt, daß das Recht der Rundfunkfreiheit im Allgemeininteresse eingeschränkt werden kann[37]. Die Wettbewerbskontrollmaßnahmen der Kommission sind jedenfalls als solche im Allgemeininteresse anzusehen. Damit scheidet ein Verstoß gegen die Rundfunkfreiheit des Art. 10 I EMRK aus.

3.3. Deutsche Programmfreiheit und Werbung

Dagegen wird kontrovers diskutiert, ob Werbung durch die deutsche Programmfreiheit geschützt ist und ob dies zur Konsequenz hat, daß ein Werbeverbot für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gegen das Grundgesetz verstoßen würde.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Gebührenentscheidung lediglich festgehalten, daß Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zulässig ist, seine Unabhängigkeit sogar stärken kann, aber die Gebühren als Finanzquelle nicht in den Hintergrund treten lassen darf[38]. Zur Frage der Werbebeschränkung äußerte es sich in diesem Urteil nicht.
Dennoch hält eine Ansicht in der Literatur unter Berufung auf dieses Urteil ein Werbeverbot im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für verfassungswidrig. Ohne eine Finanzierung aus mehreren Quellen sei die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu gewährleisten.[39] Diese Ansicht überzieht jedoch deutlich die Tragweite der Werbung als "Unabhängigkeitsgarant", die angesichts der Einflußmöglichkeiten der Industrie durch die Werbung ohnehin fragwürdig ist, und ist daher abzulehnen.
Nach einer weiteren Ansicht ist die Werbung als eine Form der Meinungsäußerung geschützt und fällt unter den Schutz der Programmfreiheit. Als Konsequenz daraus seien Beschränkungen der Werbung oder ihr Verbot nur zulässig, um die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des Rundfunks sicherzustellen. Darüber hinausgehende Einschränkungen unterlägen dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 II GG.[40] Demnach wäre ein Werbeverbot durch die Kommission nur über eine vom deutschen Gesetzgeber umgesetzte Richtlinie durchzusetzen. Doch auch diese Ansicht[41], die sich vor allem auf die Übertragung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Anzeigen in Zeitungen[42] auf den Rundfunk stützt, geht zu weit. Denn der Vergleich des Bundesverfassungsgerichts zwischen dem Abdruck von Werbe- und Nachrichtentexten läßt sich für die Rundfunkwerbung, die gewöhnlich nur in der Sendung von vorproduzierten Spots besteht, nicht heranziehen. Eine Programmfreiheit hinsichtlich von Werbespots könnten daher höchstens die Werbefirmen in Anspruch nehmen. Außerdem ist Werbung in ihrer Bedeutung für die Rundfunkanstalten in erster Linie eine Frage des Geschäfts und nicht der Meinungsäußerung und fällt als solche unter Wettbewerbsrecht.
Nach richtiger Ansicht besteht daher kein Anspruch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf Werbung. Diese genießt auch nicht den Schutz der Programmfreiheit. Ein Werbeverbot würde nicht gegen das Grundgesetz verstoßen, solange die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks trotzdem sichergestellt wäre, wie das Bundesverfassungsgericht im Fall des Werbeverbots in den Dritten Programmen festgestellt hat[43]. Das aber steht bei einem Werbeanteil von unter 20 % außer Zweifel. Verfassungsrechtlich bedenklich ist allenfalls, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Werbeeinnahmen Einflüssen aus der Industrie ausgesetzt sind, und daß durch die duale Finanzierung eine klare Benachteiligung der Privatsender stattfindet, die nicht vernünftig begründet ist[44].


[31] vgl. BVerfG 1 BvR 147/86, BVerfGE 74, 297 ff
[32] Ricker / Schiwi B RN 95
[33] BVerfGE 35, 202
[34] vgl. Ricker / Schiwi H RN 57 ff, insbes. RN 60
[35] Ricker / Schiwi, H RN 61
[36] Ricker / Schiwi, H RN 60 mit weiteren Nachweisen
[37] EuGH C-288/89, Slg. 91, 4007 ff
[38] BVerfG 1 BvL 30/88, BVerfGE 90, 60
[39] Radek, "Werbung bei ARD und ZDF sichert Programmfreiheit", Media Perspektiven 94, 278
[40] Giehl, "Der Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkanstalten", S. 97
[41] ebenso Ricker / Schiwi, F RN 35
[42] BVerfG 1 BvR 414/64, BVerfGE 21, 271
[43] BVerfG 1 BvR 1586/89, BVerfGE 87, 181
[44] ebenso: Ricker, "Staatsfreiheit und Rundfunkfinanzierung", NJW 1994, 2199


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