3 Technische und organisatorische Möglichkeiten für den Jugendschutz

3.1 Content Provider

Wie oben dargestellt, sind Content Provider für ihre Inhalte voll verantwortlich, sie gehen also das größte Risiko einer Strafbarkeit ein. Daher ist für sie die Überprüfung ihrer Angebote auf strafbare oder jugendgefährdende Inhalte vor allem dann unerlässlich, wenn sie in sensiblen Themenbereichen agieren (z. B. erotische Websites).

3.1.1 Freiwillige Selbstkontrolle

Die Möglichkeiten solcher Anbieter, ihr Material selbst zu überprüfen, stoßen jedoch an Grenzen. Mag die Vermeidung von Kinderpornographie noch relativ einfach sein, so kann die Unterscheidung jugendgefährdender von jugendfreien Bildern oder Computerspielen bereits erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Schon das Abgleichen mit der Indexliste der Bundesprüfstelle bedeutet einen erheblichen Aufwand.
Es erscheint daher sinnvoll, wenn sich mehrere solcher Anbieter zusammenschließen und die Überprüfung ihrer Materialien einer kompetenten Zentralstelle überlassen. Dies bietet sich auch deshalb an, weil im Web häufig die gleichen Bilder oder Computerprogramme auf vielen Servern angeboten werden.
Eine solche anbieterübergreifende freiwillige Selbstkontrolle entbindet den einzelnen Content Provider ferner von der Verpflichtung aus § 7a S. 1 GJS zur Benennung eines Jugendschutzbeauftragten, was ebenfalls zur Kostenreduzierung führt.
Eine FSK-Organisation könnte durch Kontakt mit vergleichbaren Organisationen im Ausland auch eine internationale Konformität der Webangebote sicherstellen. Diese Möglichkeit ist angesichts des weltweiten Zugriffs auf Websites nicht zu unterschätzen.
Eine solche Organisation könnte auch die Einstufung des Materials nach dem Alter der Benutzer vornehmen und so eine vollständige Sperrung des gesamten Materials für alle Jugendliche vermeiden.

3.1.2 Technische Zugriffskontrolle

Eine Bewertung und Einstufung des Materials kann jedoch nicht genügen, um die Gefahr einer Bestrafung wegen Verbreitung jugendgefährdender Schriften zu vermeiden. Das als jugendgefährdend eingestufte Material darf für Jugendliche nicht zugänglich sein. Nach § 3 Abs. 2 S. 2 GJS ist dies bei elektronischen Informationssystemen durch technische Vorkehrungen sicherzustellen. Dazu sind eine Reihe von Modellen entwickelt worden.

3.1.2.1 Alterskontrolle durch zentrale Kontrollserver

In den USA das sogenannte “Age Verification” System eine häufige Kontrollmethode, die von Servern wie Adult Admit[16] oder Adult Check[17] angeboten wird. Dabei werden Anfragen zu pornographischen Angeboten per Hyperlink zu zentralen Servern weitergeleitet. Diese führen eine Alterskontrolle des Benutzers durch Abfrage seiner Kreditkartennummer durch und leiten ihn per Hyperlink auf die zweite Ebene des Angebotes, auf der sich die eigentlichen pornographischen Inhalte befinden.
Dieses System hat den Schwachpunkt, dass ein Zugriff auf das pornographische Angebot ohne Altersüberprüfung immer noch möglich ist, wenn man die URL für einen direkten Zugriff auf die ungeschützte zweite Ebene der Website kennt. Viele einschlägige Websites haben sich mittlerweile auf das Setzen von Hyperlinks auf solche “Hintertüren” spezialisiert und erfreuen sich entsprechender Beliebtheit.
Dieses System kann nach deutschem Recht keinen Jugendschutz sicherstellen, da eine Umgehung derart einfach möglich ist, dass der Zugriff von Jugendlichen allenfalls erschwert, aber in keiner Weise wirksam verhindert wird.

3.1.2.2 Benutzerseitige Filterung

Ein weiteres erfolgreiches Modell ist die Filterung der Internetangebote auf dem Computer des Benutzers durch Negativlisten, die bestimmte URLs zu problematischen Inhalten sperren. Beispiele für solche Systeme sind NetNanny[18], Cybersitter[19] oder Cyberpatrol[20].
Die Bertelsmann-Stiftung schlägt die Kombination einer anbieterseitigen Klassifikation des Angebots nach zulässigen Altersgruppen mit einer nutzerseitigen Filtersoftware vor, die die Klassifikation ausliest und entsprechend der Einstellungen auf dem Computer des Benutzers Inhalte sperrt oder nicht[21]. Dieser Ansatz ist nicht neu, auch Cyberpatrol ruft Anbieter von jugendgefährdendem Material dazu auf, ihr Angebot selbst zu bewerten und mit entsprechender Angabe in die Negativliste einzutragen[22].
Derartige Systeme bieten zwar einen gewissen Schutz gegen den Aufruf von jugendgefährdenden Inhalten, haben jedoch zwei entscheidende Schwachpunkte: Erstens die Beteiligung der Anbieter an der Klassifikation und zweitens der Einsatz der Software bei den Benutzern.
  1. Das erste Problem ließe sich sicher in den Griff bekommen. Allerdings wird man, solange nicht alle Anbieter teilnehmen, bei der Filterung entscheiden müssen, ob man nicht klassifizierte Sites ausschließt, was einer starken Einschränkung des Internetzugangs gleichkäme, oder zulässt, was den Jugendschutz sehr lückenhaft werden ließe.
  2. Schwerer wiegt das zweite Problem: Das System setzt für seine Funktion verantwortungsvolle Eltern voraus, die darüber hinaus über die notwendigen Computerkenntnisse verfügen, um ein solches System auf den Computern ihrer Kinder zu installieren und die Deaktivierung durch technisch versierte Kinder zu verhindern. Dies aber ist ein Illusion. Die meisten Eltern verstehen von Computern, wenn überhaupt, erheblich weniger als ihre Kinder. Man kann also davon ausgehen, dass die Kinder im Zweifel eher zur Deaktivierung des Systems fähig wären als die Eltern zur Installation. Auch eine Vorinstallation beim Kauf des PC ist keine Lösung dieses Problems, da sich die Einstellung solcher Programme bis hin zur Deaktivierung verändern läßt. Selbst eine Einbindung in das Betriebssystem kann eine Deaktivierung nicht verhindern, da sich auf PCs auch andere Betriebssysteme ohne Filtersoftware installieren lassen. Man kann daher davon ausgehen, dass nur computererfahrene Eltern in der Lage wären, Manipulationen ihrer Kinder an dem System zu unterbinden.
Aufgrund der dargestellten Schwächen lässt sich mit solchen Systemen weder sicherstellen, dass auf allen Computern, von denen Jugendliche auf die Angebote zugreifen könnten, Filterprogramme installiert sind noch dass diese von Jugendlichen nicht umgangen werden könnten. Dieser Ansatz ist daher nicht in der Lage, den Zugriff der Jugendlichen auf jugendgefährdende Inhalte wirksam zu unterbinden und befreit die Anbieter nicht von der Strafbarkeit nach §§ 184 I StGB, 21 GJS[23]. Es handelt sich damit nicht um einen wirksamen Jugendschutz bei pornographischen und indizierten Angeboten.
Ein Einsatz solcher Systeme ist lediglich außerhalb des Pornographiebegriffs des StGB bzw. bei nicht indizierten Angeboten sinnvoll. Dies gilt insbesondere für die sogenannte Soft-Pornographie, wie sie in Fernsehsendungen zulässig ist. Für redaktionell gestaltete Internetangebote[24], also beispielsweise Online-Versionen von Zeitschriften mit Soft-Erotik wie Praline oder Coupe, schreibt § 8 Abs. 3 Mediendienste-Staatsvertrag eine Klassifikation für nutzerseitige Sperrsysteme sogar vor. Allerdings ist die sogenannte Hardcore-Pornographie in solchen Angeboten nach § 8 I Nr. 4 Mediendienste-Staatsvertrag ohnehin verboten.
Für Hardcore-Pornographie, wie sie die große Mehrzahl der erotischen Websites anbieten, sind dagegen intensivere Schutzmaßnahmen bereits auf Anbieterseite notwendig. Das ist rechtspolitisch auch sinnvoll. Denn die Verantwortung dafür, dass solche Angebote Jugendliche nicht erreichen, sollte von den Anbietern wahrgenommen und nicht auf die Eltern abgewälzt werden.

3.1.2.3 Serverseitige Sperrung mit Passwörtern

Mit der Installation eines sicheren HTTP-Servers, der die Vergabe von Benutzerkennungen mit Passwortsicherung erlaubt, läßt sich dagegen eine sehr hohe Sicherheit gegen Zugriffe durch Jugendliche erreichen. Denn solche Server sind vor dem Zugriff unbefugter Jugendlicher sowohl durch Zugriff auf eine tiefere Ebene der Website als auch durch Manipulation am Benutzerrechner sicher geschützt. Ein Zugriff von Jugendlichen ist nur möglich, wenn Erwachsene illegal ihre Paßwörter an Jugendliche weitergeben. Dies läge dann aber nicht in der Verantwortung der Anbieter.
Die Problematik solcher Angebote liegt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Versandhandel mit Pornographie.[25] Wenn die darin formulierten Grundsätze auf Website-Anbieter anwendbar sind, dann dürften Kennungen nur an solche Erwachsene erteilt werden, die beim Anbieter persönlich vorstellig würden[26]. Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese relativ alte Rechtsprechung angesichts der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten überhaupt noch gültig ist und ob sie übertragbar ist. So ließen sich heute beispielsweise Vorrichtungen schaffen, die den Personalausweis maschinell auslesen und die Daten übertragen. Denkbar wäre auch eine Altersverifizierung über die digitale Signatur nach § 2 Absatz 1 Signaturgesetz[27]. Ohne technischen Aufwand ist schon heute eine Vergabe der Paßwörter in Sex-Shops und anderen für Jugendliche unzugänglichen Läden möglich[28].

3.1.2.4 Serverseitige Verschlüsselung

Ein effektiver Jugendschutz wäre auch eine Verschlüsselung jugendgefährdender Angebote durch standardisierte Verschlüsselungssysteme, wie es sie für das www bereits gibt. Die Angebote können dann nur von Benutzern abgerufen werden, die über die entsprechende Schlüsselsoftware verfügen. Auch hier müßte allerdings ein Vertrieb der Schlüssel wegen der Versandhandel-Rechtsprechung über Ladengeschäfte für Erwachsene erfolgen.

3.2 Content Provider

Content Provider brauchen zwar nach § 5 Abs. 2 nur auf Hinweise zu reagieren, auf ihrem Server befände sich strafbares Material. Nur auf solche Hinweise zu warten, kann jedoch teuer werden. Denn bereits in der Vergangenheit haben sich Anwälte darauf spezialisiert, Server nach indizierten Inhalten abzusuchen und die Betreiber auf Gefundenes hinzuweisen – natürlich gegen Erstattung der Anwaltsgebühren.

3.2.1 FSK

Bei überschaubaren Webservern mit privaten Homepages lässt sich eine Kontrolle noch selbst durchführen.
Für Betreiber von News Server kann es dagegen sinnvoll sein, sich zusammenzuschließen und eine FSK-Organisation zu gründen. Das Newsangebot wird weltweit verteilt und unterscheidet sich dabei nur durch lokale Gruppen. Eine zumindest stichprobenartige zentrale Kontrolle verdächtiger Newsgruppen macht also Sinn.
Eine solche FSK-Organisation könnte dann über Mailing-Listen die Serverbetreiber über Gruppen informieren, die sie aufgrund strafbarer Inhalte besser sperren sollten. Sie könnte ferner bei den Newsgruppen mit Computerspielen und erotischen Bildern eine Bewertung vornehmen, ab welchem Alter man sie freigeben kann.
Sowohl für Betreiber von Websites, auf denen sich erotische Angebote von Dritten befinden, als auch für Betreiber von News Servern ist die Beauftragung einer FSK-Organsation sinnvoll, da es sie von der Pflicht zur Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten nach § 7a S. 1 GJS befreit. Diese Verpflichtung besteht nicht für News Server, die nur der Versorgung eines Intranets dienen.

3.2.2 Technische Kontrollmaßnahmen

Auch hier können Schutzmaßnahmen auf Seiten der Benutzer nicht genügen, da § 5 Abs. 2 TDG bei Kenntnis von strafbaren Inhalten eine Sperrung durch den Service Provider fordert.
Betreiber von Webservern müssen nach dieser Vorschrift Seiten ihrer Kunden, die absolut verbotene Inhalte (§§ 184 Abs. 3, 130, 130a StGB) enthalten, sofort sperren. Bei jugendgefährdenden Inhalten (§ 184 Abs. 1 StGB, § 3 Abs. 1 Nr. 4 GJS) kann es genügen, den Kunden bei Androhung einer Sperrung zur Installation eines effektiven Jugendschutzes aufzufordern.
Betreiber von News Servern müssen Gruppen, in denen absolut verboten Inhalte auftauchen, sperren[29]. Bei Newsgruppen mit jugendgefährdenden Inhalten bleiben ihnen zwei Möglichkeiten: Entweder die vollständige Sperrung (wie dies bei den meisten News Servern geschieht) oder die Installation eines Paßwortabfrage für jugendgefährdende Gruppen, wobei die Paßwörter entweder abgestuft nach Alter oder nur an Erwachsene vergeben werden. Dabei dürfen die Paßwörter aber ebenso wie bei Webangeboten nur über Ladengeschäfte für Erwachsene weitergegeben werden. Gleiches gilt für eine Verschlüsselung jugendgefährdender Gruppen. Bei vielen News Servern wird eine Sperrung oder Kontrolle dieser Gruppen jedoch nicht notwendig sein, da Zugriffe nur von einem Intranet mit ausschließlich erwachsenen Nutzern aus möglich sind, z. B. an Universitäten.

3.3 Access Provider

Reine Zugangsvermittler sind strafrechtlich für fremde Inhalte im Internet nicht verantwortlich (§ 5 Abs. 3 TDG). Sie sind daher auch nicht verpflichtet, Sperrmaßnahmen durchzuführen, um den Zugang zu strafbaren oder jugendgefährdenden Angeboten zu verhindern[30].
Dies wäre auch technisch gar nicht effektiv möglich. So hätte die Sperrung der IP-Adresse eines bestimmten Servers mit strafbaren Inhalten die Sperrung aller, auch der legalen, Inhalte des Servers zur Folge. Außerdem ließe sich eine solche Sperre durch Verlagerung oder Spiegelung des Angebots leicht umgehen, wie die Erfahrung mit der Sperrung des Servers XS4ALL zeigt. Eine Filterung des Datentransfers ist auf Netzwerkebene ebenfalls nicht möglich.[31]
Die Filterung der Daten durch sogenannte Proxy-Server wäre zwar möglich, aber mit schweren Einschränkungen des Internetzugangs verbunden. Denn ein Proxy-Server ist vom Benutzer nur dann nicht zu umgehen, wenn der freie Netzverkehr über das IP-Protokoll gesperrt wird. Der Provider vermittelt dann keinen echten Internetzugang, sondern nur den Zugang zu einem Proxy-Server, der die Anfragen filtert und in das Internet weiterleitet. Viele Internetdienste, z. B. Video- und Audiodienste, funktionieren nicht über Proxy Server und würden so unmöglich. Außerdem wäre der Effekt einer solchen Maßnahme sehr fraglich, da Proxy-Filter nur bestimmte URL-Adressen sperren können. Dies sind in der Regel die Hauptseiten der jugendgefährdenden Angebote. Die Ebenen darunter sind weiter zugreifbar- mit den oben geschilderten Folgen.
Reine Zugangsvermittler brauchen daher keine Maßnahmen zum Jugendschutz zu ergreifen.

[16] http://www.adultadmit.com/
[17] http://www.adultcheck.com/
[18] http://www.netnanny.com/
[19] http://www.cybersitter.com/
[20] http://www.cyberpatrol.com/
[21] Bertelsmann-Stifung: Verantwortung im Internet – Das Memorandum, Gütersloh 1999, S. 31 ff,
http://www.stiftung.bertelsmann.de/internetcontent/deutsch/download/Memorandum.pdf.
[22] http://www.cyberpatrol.com/cyberNOT/default.htm
[23] Ebenso: Altenhain in: Roßnagel (siehe Fußnote 2), § 3 GJS Rd. 23.
[24] Nach dem Wortlaut von § 2 Absatz 1 Nr, 4 MDStV würden alle Websites zu den Mediendiensten gehören. Da es sich bei dem Mediendienstestaatsvertrag jedoch um eine jeweiliges Landesgesetz handelt und die Länder nur die Gesetzgebungskompetenz für das Presserecht, nicht aber für das Telekommunikationsrecht haben, findet der MDStV nur auf Websites Anwendung, die Presseveröffentlichungen darstellen. Dies sind die Online-Versionen von Printmedien und Websites, die nach Gestaltung und Inhalt einer Zeitung / Zeitschrift entsprechen. Vgl. hierzu Engel-Flechsig, Stefan / Maennel, Frithjof / Tettenborn, Alexander, “Das neue Informations- und Telekommunikationsgesetz”, NJW 1997, 2981 (2984)
[25] BVerfGE 30, 336.
[26] dieser Ansicht ist Altenhain in: Roßnagel (siehe Fußnote 2), § 3 GJS Rd. 20.
[27] Altenhain in: Roßnagel (siehe Fußnote 2), § 3 GJS Rd. 18.
[28] Diese Methode wird bereits praktiziert von x-online, http://www.x-online.de/service/insider.php3
[29] LG München (Compuserve), MMR 2000, 171, siehe Fußnote 1
[30] LG München I (Compuserve), MMR 2000, 171, siehe Fußnote 1.
[31] Schneider, Gerhard, “Die Wirksamkeit der Sperrung von Internet-Zugriffen”, MMR 1999, S. 571