2 Rechtliche Anforderungen an den Jugendschutz für Anbieter von
Internet-Diensten
Die Verantwortung von Diensteanbietern
für Inhalte im Internet hängt nach § 5 des Teledienstegesetzes
(TDG) davon ab, welche Dienste sie anbieten. Unter den Providern sind in diesem
Zusammenhang drei Gruppen zu unterscheiden:
- Die Content Provider bieten selbst Text, Bilder,
Programme oder sonstige Daten im Internet zum Abruf an. Dazu zählen vor
allem die Anbieter von Websites im WWW.
- Die
Service Provider stellen Server zur Verfügung, auf denen andere
Daten zum Abruf abspeichern können. Dazu zählen die Betreiber von
Webservern, die Speicherplatz für Homepages anderer zur Verfügung
stellen ebenso wie die Betreiber von News- oder
Chat-Servern.
- Die Access Provider
schließlich stellen nur die Verbindung des Anwenders zum Internet
über Telekommunikationsleitungen her. Dies sind Einwähldienste wie
Mobilcom Freenet oder Großkunden-Versorger wie Xlink. Suchmaschinen als
reine Zugangsvermittler sind rechtlich ebenso zu
behandeln[2].
Viele
Provider bieten neben dem Zugang auch persönliche Homepages oder News
Server an (z. B. T-Online, AOL) und fallen damit zugleich unter mehrere
Kategorien.
Nachfolgend sollen die Anforderungen an den
Jugendschutz nach deutschem Recht dargestellt werden. Dies ist angesichts der
weltweiten Ausdehnung des Internet möglicherweise nur einen Teil des zu
beachtenden Rechts. Allerdings bleibt fraglich, ob ohne internationale
Vereinbarungen über Mindeststandards für Internetdienste sich eine
absolute Konformität von jugendgefährdenden Diensten und Angeboten mit
dem Recht aller Länder überhaupt erreichen lässt. So hatte
beispielsweise CompuServe 1996 Kunden in 182 Ländern. Nach deutschem Recht
sind aber jedenfalls die Provider zu beurteilen, die in Deutschland Server oder
Zugänge betreiben.
2.1 Strafrechtliche Verantwortlichkeit
Nach § 184 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB wird
bestraft, wer pornographische Schriften Jugendlichen unter 18 Jahren
zugänglich macht. Schärfer bestraft wird nach Abs. 3, wer Kinder- und
tierpornographische Schriften zugänglich macht, und zwar auch Erwachsenen.
In diesem Fall schützt wegen der weltweiten Verfolgbarkeit durch § 6
Nr. 6 StGB auch nicht ein Standort im Ausland. Zu den Schriften zählen nach
den neuen § 11 Abs. 3 StGB auch Abbildungen und Datenspeicher, so dass auch
pornographische Angebote im Internet mit umfasst sind.
Ebenso strafbar ist das Angebot von
Gewaltdarstellungen (§ 131 Abs. 1), Texten, die zu Straftaten anleiten
(§ 130a) usw.
Nach § 21 des Gesetzes gegen die
Verbreitung jugendgefährdender Schriften (GJS) ist die vorsätzliche
und fahrlässige Verbreitung von Schriften strafbar, die durch die
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert
wurden. Der Schriftenbegriff des § 1 Absatz 3 GJS ist mit § 11 Abs. 3
StGB identisch, so dass es sich um indizierte Texte, Bilder, aber auch
Computerspiele[3]
handeln kann. Die Strafbarkeit entfällt aber nach § 3 Abs. 2 GJS, wenn
Vorkehrungen zur Beschränkung des Angebots auf Erwachsene
bestehen.
In wiefern kann dies eine Strafbarkeit der
Betreiber von Internet-Diensten nach sie ziehen?
2.1.1 Content Provider
Content-Provider sind für die
eigenen Angebote voll verantwortlich. Dies stellt § 5 Abs. 1
TDG klar. Er gilt insbesondere für Anbieter, also inhaltlich
Verantwortliche, von Websites und FTP-Servern. Sie sind daher bei Angeboten nach
§§ 184 Abs. 3, 131, 130a StGB in jedem Fall strafbar. Die Strafbarkeit
nach §§ 21 GJS, 184 Abs. 1 StGB besteht nur dann, wenn Jugendliche
freien Zugriff auf das Angebot haben.
Umstritten ist, ob der Anbieter einer
Website auch für fremde Angebote, auf die lediglich
Hyperlinks gesetzt wurden, nach § 5 Abs. 1 TDG verantwortlich sein
soll. Teile der Literatur vertreten diese Ansicht, da Hyperlinks auch eine
inhaltliche Komponente
enthielten[4]. Eine
vermittelnde Ansicht wendet § 5 Abs. 1 TDG nur auf solche Hyperlinks an,
mit denen der Verweisende sich den hinter dem Link liegenden Inhalt zu eigen
macht[5]. Gegen die
Anwendung von § 5 Abs. 1 TDG spricht jedoch der Wortlaut von § 5 Abs.
3 TDG. Technisch stellt ein Hyperlink nichts anderes als eine reine Vermittlung
zu einem fremden Angebot dar. Nach richtiger Ansicht ist daher eine
Verantwortung für Hyperlinks nach § 5 Abs. 3 TDG ausgeschlossen.
Leider besteht weiterhin Rechtsunsicherheit. Das bisher einzige Strafverfahren
zu Hyperlinks[6]
brachte keine Entscheidung dieser Frage.
2.1.2 Service Provider
Service Provider haften nach § 5 Abs.
2 TDG für Inhalte, die von anderen in das Netz gestellt wurden, nur dann,
wenn sie von einer solchen Straftat wissen. Außerdem muss es ihnen
technisch möglich und zumutbar sein, den Zugang dazu zu
sperren.
Betreiber von Webservern mit Sites, die von
anderen gestaltet wurden, müssen den Zugang zu solchen Sites sperren, wenn
sie auf strafbare Inhalte hingewiesen werden.
Betreibern von Chat-Servern sind nach
diesen Grundsätzen im Regelfall nicht verantwortlich, da die Inhalte ja
nicht langfristig gespeichert werden und daher auch nicht gesperrt werden
können. Lediglich bei wiederholten inkriminierten Beiträgen eines
bestimmten Nutzers kann eine Sperrung seines Zugangs notwendig werden.
Der Betreiber eines News Servers ist nach
§ 5 Abs. 2 TDG nicht verpflichtet, alle Newsgruppen auf
jugendgefährdende Postings zu untersuchen. Er ist aber strafbar, wenn er
von anderen auf ein solches Posting hingewiesen wird und dieses nicht entfernt.
Ob ihm eine Sperrung einer ganzen Newsgruppe möglich und zumutbar ist, ist
eine Frage des Einzelfalles. Das AG
München[7] hat im
Fall CompuServe jedoch Maßstäbe angelegt, die auf heftige Kritik der
Literatur gestoßen
sind[8]. Demnach sollte
ein Service Provider zur Sperrung ganzer Newsgruppen gezwungen sein, wenn die
Namen der Gruppen die Vermutung strafbarer Inhalte nahe legen. Das Urteil wurde
nun zu Recht durch das LG München aufgehoben. Das Berufungsgericht stellte
klar, dass eine Sperrung von Newsgruppen nur bei im konkreten Einzelfall
nachgewiesenen strafbaren Inhalten erfolgen muss. Ferner muss die Sperrung
für den Betreiber technisch möglich und zumutbar
sein[9].
2.1.3 Access Provider
Access Provider sind nach § 5 Abs. 3
TDG für strafbare Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang
vermitteln, nicht verantwortlich. Der Streit, ob § 5 Abs. 3 TDG
dabei bereits die
Strafbarkeit[10] oder
erst die Schuld[11]
ausschließt, ist für das Ergebnis ohne Bedeutung. Diese
Privilegierung wird auch nicht durch § 5 Abs.4 auf Fälle der
Unkenntnis
eingeschränkt[12],
da mit der Verpflichtung aus allgemeinen Gesetzen das Strafrecht nicht gemeint
war[13].
Außerdem ergibt sich aus dem klaren Wortlaut von § 5 Abs. 3, dass im
Gegensatz zu § 5 Abs. 2 TDG keine Haftung bei Kenntnis von strafbaren
Inhalten besteht.
Der Haftungsausschluss gilt nach § 5
Abs. 3 S. 2 TDG auch dann, wenn dabei Proxy-Server eingesetzt werden.
Die Privilegierung des § 5 Abs. 3 TDG
gilt nach überwiegender Ansicht der
Literatur[14] auch
für Zugangsvermittler, die den Zugang zu Angeboten ihrer Muttergesellschaft
vermitteln. Das LG München hat sich dieser Ansicht
angeschlossen[15].
2.2 Verpflichtungen aus dem Gesetz über die Verbreitung
jugendgefährdender Schriften (GJS) und dem Mediendienste-Staatsvertrag
2.2.1 Content und Service Provider
§ 7a S. 1 GJS verpflichtet die
kommerziellen Content und Access Provider zur Benennung eines
Jugendschutzbeauftragten, wenn ihr Angebot oder Server jugendgefährdende
Inhalte enthalten kann. Dies betrifft insbesondere alle Betreiber von
News-Servern, die nicht nur für ein Intranet zugänglich
sind.
Das GJS gilt nach § 1 Abs. 3 2 GJS
nicht bei redaktionell gestalteten Angeboten, das sind vor allem Webangebote,
die wie eine Zeitschrift gestaltet sind. Für diese gilt der
Mediendienste-Staatsvertrag, der in § 8 Abs. 1 Nr. 4, 5 Pornographie und
schwer jugendgefährdende Angebote vollständig verbietet. Weniger stark
jugendgefährdende Angebote sind nach § 8 Abs. 3 MDStV zulässig,
wenn der Anbieter den Benutzern eine Möglichkeit schafft, ihren Kindern auf
den heimischen Computern den Zugang zu sperren.
[2]
Spindler in: Roßnagel, Alexander (Herausgeber), Recht der
Multimedia-Dienste, Kommentar zu IuKD und MDStV, Loseblatt-Ausgabe München,
§ 5 TDG Rd. 127
[3] AG
München, NJW 1998, S. 2836 (Compuserve), bestätigt durch LG
München, MMR 2000, 171, siehe Fußnote 1
[4]
Spindler in: Roßnagel (siehe Fußnote 2), § 5 TDG Rd. 117
ff.
[5]
Engel-Flechsig, Stefan / Maennel, Frithjof / Tettenborn, Alexander,
“Das neue Informations- und Telekommunikationsgesetz”, NJW 1997,
2981
[6] AG
Berlin-Tiergarten, Computer und Recht (CR) 1998, 111
[7] AG
München, NJW 1998, S. 2836 (CompuServe)
[8]
Sieber, Ulrich, Anmerkung zum Urteil des AG München (MMR 1998, S.
429), MMR 1998, 438; Hoeren, Thomas, “Ist Felix Somm ein
Krimineller?”, NJW 1998, 2792; Fischer, Thomas in: Tröndle,
Herbert / Fischer, Thomas, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 49. Auflage
München 1999 § 184, Rd. 39
[9] LG
München I (CompuServe), MMR 2000, 171, siehe Fußnote
1
[10]
Sieber, Ulrich, Anmerkung zum Urteil des AG München (MMR
1998, S. 429), MMR 1998, 438 (439 f)
[11] AG
München, NJW 1998, S. 2836, bestätigt durch LG München I, MMR
2000, 171
[12] So
aber der Generalbundesanwalt, Einstellungsverfügung vom 26. 11. 1997, MMR
1998, 93
[13]
Spindler in: Roßnagel (siehe Fußnote 2), § 5 TDG RNr 117 ff.;
Hoeren, Thomas, Anmerkung zur Einstllungsverfügung des
Generalbundesanwalts (MMR 1998, 93), MMR 1998, 97
[14]
Sieber Ulrich, Anmerkung zum Urteil des AG München (MMR 1998,
S. 429), MMR 1998, 438 (439 f); Tröndle/Fischer (siehe Fußnote
8), § 184 Rd. 39
[15] LG
München I (Compuserve), MMR 2000, 171, siehe Fußnote
1.